Andacht zum 30. Todestag von Familie Jürges, Karsten Petersen

am 22.05.2013
Waldfriedhof Oberrad

Wort zum Beginn

Willkommen! Ihnen allen, die Sie heute hier nach Oberrad auf den Waldfriedhof gekommen sind.

Wir sind zusammen im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

In der Ruhe des Friedhofs innezuhalten, unter dem Wort Gottes nachzudenken, den Erinnerungen Raum zu geben und damit Kraft für die Gegenwart und Zukunft zu gewinnen, – das wollen wir heute hier tun.

Dass wir uns ganz bewusst hier in Oberrad treffen, hat einen besonderen Anlass: Es ist uns gelungen zu erreichen, dass die Stadt Frankfurt zugestimmt hat, die Grabstätte auch über den 30-Jahre-Zeitraum hinaus zu erhalten. Dafür sagen wir an dieser Stelle einen herzlichen Dank!

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Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Wir werden hinterher Lichter entzünden für alle, die damals umgekommen sind. Das hat Irmi Rieker, eine Nichte von Irmtraud Jürges-Kiesling vorbereitet.

Musikalisch begleiten wird uns Eugen Eckert.

Im Trauergottesdienst in der Katharinenkirche am 30. Mai 1983 haben wir das Lied gesungen: Halte deine Träume fest, lerne sie zu leben. Damit wollen wir auch heute beginnen.

Psalm 121 im Wechsel

Gebet

Gott, himmlischer Vater,

wir sind hier zusammengekommen, weil uns der Tod von Irmtraud und Martin, von Jan und Katharina, von Erna Jürges und Gesine Wagner nicht loslässt. Ihr Leben wurde ausgelöscht, mitten im Frieden.

Sei du bei uns mit deinem heilenden Geist, damit wir klug werden.

Amen.

Liebe Gemeinde,
Es ist so. Der Monatsspruch, der ebenso wie die Tageslosungen jedes Jahr neu von der Brüdergemeine ausgelost wird, ist in diesem Jahr des 30. Todestages genau der Bibelvers, der im Leben von Martin Jürges eine so große Rolle gespielt hat:

Öffne deinen Mund für den Stummen, für das Recht aller Schwachen!“ aus dem Buch der Weisheit, Sprüche Salomos, 31,8. und der folgende Vers heißt: „Tu deinen Mund auf und richte in Gerechtigkeit und schaffe Recht dem Elenden und Armen.“

Es war ursprünglich eine Mahnung der Mutter des Königs Lemuel, das Eingang in die Sprüchesammlung des Königs Salomo gefunden hat. Es war eine Mahnung an die Regierenden, an die die Verantwortung und Macht hatten. Es wird dem Volk gut gehen, wenn Recht und Gerechtigkeit herrscht. Und die wird es geben, wenn denen, die verstummt sind, die keine Worte finden, Recht geschieht, wenn denen die arm und schwach sind, Gerechtigkeit widerfährt. Dazu soll der König beitragen, das soll er sich auf die Fahnen schreiben, – dann wird die Herrschaft gut gehen. Es geht um das gute Zusammenleben, das allen nützt.
Dieses Wort heute, am 30. Todestag, was kann es uns sagen?

Es will mir nicht aus dem Kopf , nicht aus dem Herzen gehen, – die Erinnerung an diesen 22. Mai 1983, den Pfingstsonntag in Frankfurt, als das leben von sechs Menschen ausgelöscht wurde. Sechs Menschen, denen wir durch Verwandtschaft, durch Freundschaft, durch ihr Arbeiten und Leben verbunden waren, – und sind. Es ist uns sehr nah – immer noch.

Und dennoch – heute will ich nicht noch einmal die Gedanken auf Irmtraud und Martin, auf Jan und Katharina, auf Erna Jürges und Gesine Wagner richten. Jede und jeder von uns trägt dies mit sich, lebt damit. Seit 30 Jahren.

Ich will darüber nachdenken, was angesichts dieses Aufschreis gegen Rüstung, angesichts der in vielem veränderten Welt zu sagen ist. Ansage.

Da ist zum einen die Tatsache, dass bis zum heutigen Tage die Untersuchungen zur Ursache des Unglücks nicht veröffentlicht worden sind. Das Militär hat sein eigenes Recht geschaffen, nichts dringt nach außen. Auch die deutschen Rechtsorgane haben das akzeptiert, offensichtlich. Der Oberstaatsanwalt hat Informationen bekommen, vielleicht nicht alle, aber sie liegen irgendwo verwahrt in verschlossenen Aktenarchiven. Das kanadische Oberkommando ist nicht ansprechbar.

Es wäre heute – nach 30 Jahren – an der Zeit, diese Untersuchungsergebnisse zugänglich zu machen!

Auch wenn schließlich – fünf Jahre nach dem Unglück in Frankfurt und nachdem in Ramstein ein Schaufliegen in einer viel größeren Katastrophe endete – die Schauflüge untersagt worden sind. Nichts ist gut.

Und da ist das andere: Als Margot Käßmann vor einigen Jahren in ihrer Neujahrspredigt den Satz sagte: „Nichts ist gut in Afghanistan“, ging ein Aufschrei durch das Land. Von Wehrkraftzersetzung, Naivität, von ungeheuerlichem Moralismus der Kirche war die Rede. Die Militärs waren auf 180!

Dass Deutschland der drittgrößte Waffenexporteur in der Welt ist, dass immer noch in vielen Gegenden der Welt die Waffen herrschen – und es ist keine Friede !

Gewiss, da ist der Ost-West-Konflikt nicht mehr so vorhanden, gewiss, da sieht es so aus, dass die Balkanvölker langsam zu einem friedlichen Miteinander kommen, gewiss, da sind im nördlichen Afrika Revolutionen – auch mit Waffengewalt – geschehen, Unrechtsregimes sind gestürzt worden.

Und im Nahen Osten werden Tag für Tag Menschen mit Waffen getötet, ohne dass ein friedliches Zusammenleben in Sicht ist.

Nein, es ist nicht einfach, hier Antworten zu finden.
Aber dass Rüstung, immer perfektere technische Neuerungen der militärischen Ausstattung nicht zu Recht und Gerechtigkeit führen, dafür findet man jeden Tag neu Beweise.

Dass Milliarden in den Sand gesetzt werden, wie bei dem jetzt bekannt gewordenen Dronen-Skandal, ist vielleicht nur die Spitze des Eisbergs.
Gleichzeitig erleben wir ja auch, dass Ostermärsche und Friedenswochen nicht die großen Renner sind.
Und dennoch:
Wäre es nicht an der Zeit, den 22. Mai in Frankfurt in Zukunft zu einem Friedenstag zu machen, einen Tag, an dem die evangelische Kirche, vielleicht gemeinsam auch mit der katholischen Kirche und mit anderen Religionsgemeinschaften regelmäßig das Thema „Wie kann es Frieden geben in unserer Welt?“ mit klugen und informativen Veranstaltungen gestaltet? Potential ist genügend vorhanden: die Akademie, das Friedenspfarramt, und viele andere.
Es geht darum, das christliche Profil durch einen klugen Dialog zu schärfen, – sich nicht nur mit innerkirchlichen Strukturdebatten in der Öffentlichkeit zu zeigen.

Ihr Vermächtnis ist der Frieden“ – so war die Pressemitteilung von Kirchenpräsident Volker Jung zum heutigen 30. Todestag überschrieben.
Das sollte sichtbare Konsequenzen haben.
Tu deinen Mund auf für den Stummen, für das Recht aller Schwachen!
Das geht nicht schweigend, das braucht Stimme. Und das braucht einen Ort, eine immer wiederkehrende Zeit.
Das wird auch nicht ohne Konflikte abgehen.
Aber das war nie ein Argument, das Denken einzustellen.
Das walte Gott!
Und der Friede, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus.

Amen.

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Andacht auf dem Oberräder Waldfriedhof
Foto: KH Eimuth

Lichtgedanken

Fürbitten

 Gott,
du mutest uns deinen Glauben zu.
Wir merken, dass du uns damit Freiheit schenkst,
Freiheit zum Leben, zum Lieben
Und zur Deutlichkeit.
Du wirst unseren Fuß nicht gleiten lassen und uns behüten.
Ströme lebendigen Wassers werden fließen,
mitreißend, Leben schaffend, erquickend
in dieser uns anvertrauten Welt.
Dafür danken wir dir und bringen unsere Bitten vor dich.

 Gott,
wir sind noch nicht fertig mit unserer Erinnerung, mit der Trauer, mit dem Verlust von Leben in unserer Mitte.

 Wir denken an Martin und Irmtraud, Jan und Katharina, an die Mutter Erna Jürges und Gesine Wagner.
Schenk du den Angehörigen und uns allen zusammen den Geist, der Leben verheißt.
Lass uns nichts verdrängen in die undurchschaubare Ecke der Vergangenheit.
Im Kreuz deines Sohnes Jesus Christus wandelt sich der Tod in Leben.
Gott, zeig uns deinen Weg dahin.

Gott,
wir denken an Rüstung, Waffen und Krieg, an den heimlichen und unheimlichen Tod.
Frauen und Männer, Kinder und Alte sterben an der Gewalt, – mitten im Frieden.
Hilf unserer Ohnmacht auf.
Lass uns gemeinsam deinen Weg des Friedens und der Gerechtigkeit suchen.
Lass uns nicht verstummen.

 Gott,
wir denken an das Leben im Gutleutviertel, an das Leben in unserer Stadt.
Menschen fallen aus dem so selbstverständlich gewordenen Raster des Wohlstands heraus, suchen nach einem Hoffnungsstreifen am Horizont ihres Lebens.
Gib den politisch Verantwortlichen in der Stadt und im Land die Einsicht und Kraft, ihre Entscheidungen an dem Wohlergehen der Schwachen und Benachteiligten auszurichten.
Gib uns die Gelassenheit, uns nicht grummelnd und leise schimpfend in die Selbstrechtfertigung zurückzuziehen, sondern mit der Gewissheit über deine Verheißung immer neue Phantasie für das Leben in der Stadt zu entfalten.
Ich bin der Herr, dein Gott,
– so hast du uns mit dem 1. Gebot die Richtschnur für unser Leben gegeben. Wir glauben daran
und freuen uns auf das Leben mit dir, das vor uns liegt, jeden Tag neu.
Alle unsere unausgesprochenen Bitten sprechen wir aus mit dem Gebet, das du uns und aller Welt gelehrt hast.

Vater Unser

Segen

 

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